Exklusive Führung: Preziosen unter Glas - die Sammlungsgewächshäuser des Botanischen Gartens
3. Juli 2024

Foto: BGHamburg / Christine Kreuzkam
Die Mitglieder unseres Fördervereins „Gesellschaft der Freunde des Botanischen Gartens e.V.“ profitieren von der Möglichkeit, jedes Jahr an einer handvoll exklusiver Führungen teilzunehmen. Dann geht es für einmalige Einblicke in sonst nicht öffentlich zugängliche Bereiche des Botanischen Gartens. Diesmal auf dem Programm: Die Sammlungsgewächshäuser.
Ein Dienstagnachmittag im Juli. Draußen ist es grau und regnerisch, aber die Gruppe aus lauter interessierten Führungsteilnehmenden steht zum Glück warm und trocken im sogenannten „Verbinder“ am Eingang zu den Sammlungsgewächshäusern.
Ulrich Hörner, der Leiter der Sammlungsgewächshäuser des Botanischen Gartens, wird heute durch sein Reich führen – 10 Häuser unter Glas unterstehen seiner Leitung, die kostbaren Lebendsammlungen des Botanischen Gartens der Universität Hamburg sind hier zu Hause. Dazu ist ein Haus der sogenannten Schulbelieferung zugeorndet, eines dient als Überwinterungshaus in der kalten Jahreszeit und als Veranstaltungsort für Formate wie "Musik & Lyrik" im Sommer.
Der Bereich ist normalerweise und für die Öffentlichkeit grundsätzlich nicht zugänglich. Hier steht, was für die umfangreichen Aufgaben des Botanischen Gartens in den Bereichen Forschung und Lehre gebraucht wird. Spezialsammlungen, wie die der Mittagsblumen oder Amorphophallus, der Ananasgewächse, Palmfarne oder der Orchideen, die einzigartig sind und die bis heute beforscht und wissenschaftlich genutzt werden.
C. Kreuzkam
Los geht es fast ganz am Ende des langen Verbinderbaus im hinteren Bereich, dem Bereich des Pflanzenabholdprogramms der der „Grünen Schule“ – jenes bundesweit einmaligen Programms vom Botanischen Garten in Kooperation mit der Schulbehörde. Ein ganzes Gewächshaus mit seinen über 500 Quadratmetern dient dazu, all die Pflanzen heranzuziehen und Unterrichtsmaterialien vorzubereiten, die sich die Hamburger Schulen kostenfrei für den Unterricht oder auch die Begrünung ihrer Schulgelände abholen können.
An diesem Nachmittag begeistert aber vor allem die Vielfalt der Sammlungsgewächshäuser. Ulrich Hörner vermag es, den komplexen Kosmos der verschiedenen Häuser, ihrer teils sehr besonderen botanischen Bewohner mit den jeweils äußerst spezifischen Anforderungen an Gewächshaustechnik und vor allem aber absoluter Expertise der betreuenden Gärtnerinnen und Gärtner abwechslungsreich, informativ und kurzweilig darzustellen.
Schon nach kurzer Zeit entsteht so ein kleiner Eindruck davon, wie umfangreich, aufwändig und ja, auch kostspielig, die Betreuung solcher Sammlungen ist.
Entsprechend beeindruckt und auch begeistert zeigt sich das Publikum. Ein Gefühl echter „Weltreise“ macht sich breit. Denn wo wir eben noch durch die Wüsten Afrikas gegangen sind, um uns die nur am Nachmittag ihre Blüten öffnenden Mittagsblumen anzuschauen, geht es zwei Häuser weiter auch schon in den Páramo, also die baumlosen, alpinen Hochlandsteppen feuchttropisch-äquatorialer Gebirge.
War es eben im Haus der Aizoaceae noch schweißtreiben warm, zieht sich in diesem Haus der eine oder die andere ihre Jacke wieder fester um die Schultern. Hier ist es kühl und feucht wie im Hochgebirge – ein Klima, dass für die Pflanzen jederzeit genauso hergestellt werden muss. Auch das – eine technische Herausforderung.
Temperatur, Lichtverhältnisse und Bestrahlungsdauer, Bodenqualität und all die extrem komplexen und in ihrer Vielfalt perfekt aufeinander abgestimmten Parameter und Faktoren, die die Pflanzen an ihrem Naturstandort vorfinden, muss der Gärtner hier so genau wie möglich nach- und abbilden, um den je nach Art auch sehr unterschiedlichen individuellen Bedürfnissen der Pflanzen gerecht zu werden.
Eine Aufgabe, die nur mit unheimlich viel Spezialwissen, jahrelanger Erfahrung, vielen Exkursionen zur Anschauung direkt vor Ort und manchmal einer gehörigen Portion Kreativität und Erfindungsreichtum gelingen kann. Aber dann entstehen manchmal kleine Wunder. Espeletien, die der betreuende Gärtner in ungewöhnlich kurzer Zeit zum Erblühen gebracht hat, zum Beispiel. Und anhand derer nun sogar eine neue Art beschrieben werden konnte.
C. Kreuzkam
Es sind diese Momente, in denen klar wird, dass es hier um sehr viel mehr geht, als fremdartige und „hübsch“ anzuschauende exotische Pflanzen anzusammeln. Es wird plötzlich klar, dass wir nur mit einem tiefgreifenden Verständnis dafür, in welch fragilem Zusammenspiel Pflanzen zu ihren natürlichen Habitaten stehen, begreifen werden, welche unverzichtbare Rolle jede einzelne Spezies, jede einzelne Vegetationszone, im großen Ganzen spielt.
Dass es viele Arten bereits nur noch in Botanischen Gärten gibt, weil ihr ursprüngliches Habitat inzwischen Zerstört wurde – beispielsweise durch Rodung oder den exessziven Anbau von Monokulturen – sollte uns Warnung und Hinweis sein, dass diese Vielfalt und das Gleichgewicht der Natur fragil und verletzlich ist, und dringen unseres Schutzes bedarf.
Nach gut zwei Stunden schließt sich der Kreis und die Gruppe kommt zum Abschied zusammen. „Wie nach einer kleinen Weltreise“ fühlen sich einige – und genau das war es ja auch. Eine kleine Weltreise, unter 10.000qm² Glas.
Dank an Ulrich Hörner für zwei Stunden voller Informationen, Eindrücke und Aha-Momente.