Ausbildung: Exkursion Obstbaum-Veredelung
3. März 2025

Foto: Tim Thielen
Regelmäßig machen unserer Auszubildenden Exkursionen zu anderen Betrieben. So lernen sie andere Arbeitsweisen, betriebliche Hintergründe und Themen kennen, die außerhalb des Gartens liegen. Diesmal ging es um das Thema Obstbaumbveredelung.
Text:Tim Thielen
Am frühen Morgen um 8 Uhr starteten die Auszubildenden des Botanischen Gartens ihre Exkursion zu zwei renommierten Baumschulbetrieben. Der erste Halt führte uns zur Baumschule Cordes, einem seit fünf Generationen familiengeführten Unternehmen, das sich auf hochwertige Obst- und Ziergehölze spezialisiert hat. Mit über 600 Apfelsorten in ihrem Muttergarten ist die Baumschule ein Spezialist für den Erhalt alter Sorten. Laut Betriebsleiter zählt für sie jedoch jede Pflanze gleichermaßen, unabhängig von ihrer Art, Größe oder Sorte.
Wir wurden begrüßt und direkt zu der Produktionshalle geführt. Dort konnten wir den Mitarbeitern beim Veredeln über die Schulter gucken und Fragen stellen. Die Mitarbeiter demonstrierten uns dann nochmal langsam und ausführlich wie Obstbäume veredelt werden und gaben uns Tipps worauf wir besonders achten müssen. Drei Fachkräfte zeigten die traditionelle Handveredelung: Mit präzisen Schnitten setzten sie Edelreiser auf passende Unterlagen. Ein geübter Veredler schafft dabei bis zu 180 Pflanzen pro Stunde, im Durchschnitt sind es jedoch 100 bis 120. Parallel dazu arbeitete eine moderne Veredelungsmaschine, die mit vier Mitarbeitern bis zu 15.000 Pflanzen pro Tag verarbeiten kann – ein beeindruckender Kontrast zur Handarbeit. Bei maschineller Veredelung bleiben nur zwei Augen am Reiser stehen, was später kompakte Topfware ergibt. Uns wurde erklärt, dass man mit der Maschine deutlich mehr schafft, die Qualität jedoch geringer sei und deshalb nur robuste Reiser so veredelt werden und z.B. Kirschen hauptsächlich händisch veredelt werden.
Nach dem Veredeln wurden die Pflanzen in Wachs getaucht, um die Schnittstellen vor dem Austrocknen zu schützen und um das Eindringen von Bakterien oder Pilzen zu verhindern. Ohne diese Versiegelung läge die Anwachsrate bei nur 3 %. Eine Alternative ist die Verwendung von spezieller Wickelfolie, die das Wachsen überflüssig macht, jedoch mehr Zeit und Feingefühl benötigt.
Besonderes Augenmerk legten die Experten auf die Details: So müssen Reiser und Unterlage exakt aufeinandertreffen, wobei mindestens eine Seite vollständig anliegen muss, um das Anwachsen zu garantieren. Wenn die Durchmesser nicht passen, muss zumindest eine Seite 100 % anliegen. Auch historische Bezüge wurden hergestellt. So nutzten schon die Römer Techniken wie das Versiegeln mit Rindertalg – heute setzt man auf effektivere und wirtschaftlichere Methoden.
Nach dem Einblick in die Veredelungspraxis besichtigte unsere Gruppe das Lager, in dem die jungen Bäume bei konstanten -1°C bis zur Auspflanzung im März gelagert werden. Normalerweise ist der 21. Februar Stichtag, bis dahin sollte das Veredeln abgeschlossen sein. Ab März geht es dann direkt auf den Acker. Auf dem Außengelände wurden schließlich die Maschinen vorgestellt, die für die Aufzucht und Pflege der Bäume genutzt werden.
Ein besonderes Highlight war die Diskussion über den seltenen Loki-Apfel, der im Botanischen Garten kultiviert wird. Wir rätselten über die Herkunft und Genetik der Sorte, der Chef der Baumschule Cordes gab wertvolle Tipps zur Veredelung dieser Sorte und empfahl Unterlagen wie M7, M26, M111 oder A2. Der Loki-Apfel ist eine besondere Herausforderung, aber mit der richtigen Unterlage gelingt die Veredelung zuverlässig.
Am Nachmittag folgte der Besuch der Baumschule Stahl. Dort holten wir unsere Unterlagen ab, konnten aber auch eine beeindruckende automatisierte Sortiermaschine begutachten, die Unterlagen präzise nach Größe ordnet.
Zurück im Botanischen Garten übten wir unter anderem mit historischen Sorten wie Jacob Lebel, Cox Orange, Danziger Kantapfel, Goldparmäne und Jonagold schließlich selbst das Veredeln. Dabei setzten wir das am Tag Gelernte direkt in die Praxis um. Sobald die austriebe 10 cm lang sind, werden sie gestäbelt und regelmäßig angebunden.
Wir konnten den Alltag in beiden Betrieben miterleben, etwas über unseren Schüsselrand hinausschauen und die Veredelung von Obstgehölzen nicht nur in der Theorie lernen, sondern auch angeleitet von Profis die Praxis üben.