Das Bauen der Zukunft: Die Uni Hamburg schließt sich Sonderforschungsbereich zur Bionik an
17. September 2024

Foto: BGHamburg / Angela Jahns
Seit September 2024 ist der Botanische Garten der Universität Hamburg neben der TU Dresden und der RWTH Aachen Teil Sonderforschungsbereichs SFB/TRR280 „Konstruktionsstrategien für materialminimierte Carbonstrukturen – Grundlagen für eine neue Art zu bauen.“ Interview mit dem Doktoranden Tom Morgenstern.
Lieber Tom,
Du hast gerade Deine Promotionsstelle im Sonderforschungsbereich „Konstruktionsstrategien für materialminimierte Carbonstrukturen – Grundlagen für eine neue Art zu bauen“ angetreten. Worum genau geht es in diesem Sonderforschungsbereich?
Tom Morgenstern: Der Sonderforschungsbereich beschäftigt sich mit Konstruktionsstrategien für materialminimierte Carbonbetonstrukturen. Bei Carbonbeton (carbon reinforced concrete, CRC) handelt es sich um ein innovatives Baumaterial aus hochfester Carbon-Bewehrung und umweltfreundlichem Beton, das großes Potenzial bietet, aber bisher oft nur als Ersatz für traditionelle Materialien genutzt wird. Forschungsergebnisse zeigen, dass CRC herkömmliche Materialien hinsichtlich Leistung und Nachhaltigkeit übertreffen kann, wenn seine Eigenschaften mit optimierten Strukturgeometrien kombiniert werden. Pilotprojekte verwenden bereits gekrümmte Schalengeometrien, und demonstrieren damit die Effizienzsteigerungen gegenüber klassischen Stahlbeton Konstruktionen. Diese Anwendungen beschränken sich aktuell jedoch noch auf einige wenige Objekte.
Das TRR 280 erforscht flache Strukturelemente, die etwa die Hälfte der Betonmasse in Gebäuden ausmachen, und entwickelt Systeme, die die Membranwirkung nutzen. Diese Systeme bestehen aus modularen, räumlichen Geometrien und erfüllen Anforderungen an Gebrauchstauglichkeit, Sicherheit und Langlebigkeit. Zur Produktion werden fortschrittliche Fertigungstechnologien wie 3D-Druck, robotergestützte Textilformung und Origami-basierte Modularität verwendet.
Nachhaltigkeit steht im Fokus, mit CRC-Strukturen, die durch Korrosionsbeständigkeit und innovative Materialien ihre Lebensdauer verlängern und CO2-Emissionen minimieren.
Was genau interessiert dich besonders an diesem Thema und worauf willst Du Deinen Fokus legen?
Tom Morgenstern: Mich fasziniert besonders, wie die Natur für viele Fragen der Konstruktion bereits effiziente Lösungen bietet – genau hier setzt meine Forschung an. Pflanzen sind Meister darin, mit minimalem Materialaufwand maximale Stabilität und Anpassungsfähigkeit zu erreichen. Diese Prinzipien auf materialminimierte Carbonbetonstrukturen zu übertragen, eröffnet spannende Möglichkeiten, um nachhaltigere und leistungsfähigere Bauwerke zu schaffen. Mein Fokus liegt daher darauf, wie wir durch die Analyse und Nachahmung natürlicher Vorbilderinnovative und ressourcenschonende Bauweisen entwickeln können.
Von besonderem Interesse für meine Arbeiten sind dabei Pflanzen hochwachsende Pflanzen mit gleichzeitig geringen Sprossdurchmessern wie Bambusse, mit ihren, flach unter der Oberfläche wachsenden Ausläufern. Diese Rhizome, bieten innovative Lösungen für Fundamentstrukturen im Bauwesen und zeigen beeindruckende strukturelle Eigenschaften, um große Biegekräfte zu bewältigen. Von besonderem Interesse ist dabei, wie das komplexe Faser- und Verzweigungsnetzwerke von Rhizomen, etwa bei Ingwer oder Bambus, auf technische Strukturen übertragen werden kann, um Stabilität, Energieabsorption und Flexibilität zu optimieren.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf Strukturen wie Hochblättern (Brakteen) und ballonartige Früchte (Physalis). Diese dünnen, gekrümmten Schalen, die trotz geringer Materialstärke erstaunliche Stabilität bieten, sind ein ideales Vorbild für den Einsatz von CRC. Diese können als Modell für den Bau von besonders dünnen, gekrümmten Schalelementen im Bauwesen dienen. Auch hier dient die Anordnung von Fasern und Verstärkungselementen in biologischen Vorbildern als Modell für die Struktur von Carbon-Bewährungen.
Der Botanische Garten in Hamburg ist neben den bisherigen Partnern Technische Universität Dresden und der RWTH Aachen nun neu an Bord. Welchen Beitrag kann Hamburg im Hinblick auf das Forschungsvorgaben leisten?
Tom Morgenstern: Der Botanische Garten in Hamburg ist eine wertvolle Ergänzung für das Projekt, und unterstützt die Vernetzung verschiedener Einrichtungen und Forschenden. Die Zusammenarbeit ermöglicht es uns, Wissen und Ressourcen effizient zu bündeln. Der Botanische Garten Hamburg bietet mit seiner umfangreichen Pflanzensammlung, insbesondere der großen Bambuskollektion und Arten mit imposanten Hochblättern wie die Gattung Amorphophallus, eine unverzichtbare Ressource für unsere Forschung. Diese Vielfalt an Forschungsobjekten eröffnet neue Perspektiven, um bionische Konstruktionsprinzipien zu untersuchen und in die Praxis zu übertragen. Zudem können wir durch die Kooperation auf spezialisierte Geräte und botanisches Fachwissen zugreifen, was das Gesamtprojekt erheblich bereichert.
Weitere Informationen zum Sonderforschungsbereich SFB/TRR 280 finden Sie hier: www.sfbtrr280.de

Foto: A. Jahns