Wintervortrag: Bionik - was wir von der Pflanzenwelt für die Technik lernen können
13. November 2024

Foto: BGHamburg/Christine Kreuzkam
Seit Jahrhunderten nehmen sich Ingenieure die Natur zum Vorbild, um ihre Prinzipien für technische Innovationen zu adaptieren. Neben historischen Beispielen zeigte unser erster Wintervortrag aber auch, wie aktuelle Forschungsansätze beispielsweise unsere Ressourcen intensive Baubranche revolutionieren wollen.
Die monatlich stattfindenden Wintervorträge im Botanischen Garten beleuchten eine Vielzahl an Themen aus dem Gebiet der Botanik. Den Auftakt machte dieses Jahr unsere Wissenschaftliche Leiterin Dr. Thea Lautenschläger.
In ihrer Zeit an der TU Dresden hat sich Lautenschläger intensiv mit dem Thema Bionik auseinandergesetzt und beispielsweise Lehrmateriealien für Schulen herausgebracht. Gerade erst im September ist nun auch die Universität Hamburg Teil des Sonderforschungsbereichs SFB/TRR 280 geworden, in dem gemeinsam mit der TU Dresden und der RWTH Aachen an Konstruktionsstrategien für materialminimierte Carbonstrukturen – Grundlagen für eine neue Art zu bauen“ geforscht wird (einen Artikel dazu gibt es hier).
In dem Vortrag nahm Lautenschläger die über 50 Zuhörerinnen und Zuhörer mit auf eine Reise in die Welt der Bionik.
Schon Leonardo da Vinci machte sich die genaue Naturbeobachtung für seine Erfindungen zu Nutze – beispielsweise wenn er bewegliche Verteidigungsanlagen nach dem Prinzip von Schildkrötenpanzern oder Flugmaschinen nach dem Vorbild der Flügelstruktur von Vögeln entwarf.
Die Entwicklung der Gewächshäuser im Botanischen Garten Berlin greift die untere Blattstruktur der Seerosen auf – auch hier wird die von der Natur entwickelte Strategie zur Stabilisierung großer Flächen in ein technisches Prinzip übertragen.
Die Beschaffenheit von Oberflächen – Stichwort „Lotus-Effekt“ – spielt bei Fassadengestaltung und Schädlingsbekämpfung eine große Rolle und so zeigte der Vortrag eine Vielzahl von anschaulichsten Beispielen, wo die Bionik zum tragen kommt.
Mit dem neu auch an der UNI Hamburg angesiedelten Sonderforschungsbereich zu den Carbon-Strukturen wird nun der Fokus ganz gezielt auf Nachhaltigkeit gelegt – sollte es gelingen, hier wesentlich beständigere Formeln als die des bisher üblichen Stahlbetons mit seiner Problematik der Erosion zu erschaffen, so könnte das eine kleine Revolution in der unheimlich Ressourcen intensiven Baubranche auslösen. Es würde wesentlich weniger Material gebraucht, das gleichzeitig viel länger halten würde. Dafür untersucht der Sonderforschungsbereich gerade die Konstruktionen bestimmter Pflanzenarten, um daraus Prinzipien für das Baumaterial abzuleiten.
Nach guten 90 Minuten ging das Publikum fasziniert und mit einer grandiosen Erkenntnis nach Hause: Für viele Fragen der Konstruktion hat die Natur bereits effiziente Lösungen entwickelt – wir müssen nur noch die Prinzipien dahinter genau entschlüsseln. Laut Lautenschläger ist das auch immer wieder mit Rückschlägen oder Sackgassen verbunden – ein vielversprechender Ansatz entpuppt sich als doch nicht praktikabel oder umsetzbar. Aber das Potenzial, das in der Natur noch schlummert, ist endlos.